Clarinet Tales – Info

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CD-Aufnahmen der deutschen Klarinettistin Sabine Grofmeier - jetzt HIER direkt erhältlich!
CD-Recording CLARINET TALES by german female clarinetist Sabine Grofmeier

 

 

 

Klarinettenmusik der deutschen Romantik

Unter den Instrumenten des Sinfonieorchesters ist die Klarinette eines der jüngsten. In der Barockzeit war ihr Klang noch mit jenem der Trompeten verwandt, doch erlangte die Klarinette in der klassischen Stilepoche eine Sanglichkeit, die sie so nahe an die menschliche Stimme heranreichen ließ wie kein anderes Instrument der Zeit. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand ein regelrechter Markt für Klarinettenmusik, in dem reisende Klarinettenvirtuosen dem staunenden Publikum nicht nur „mannigfaltigste Effecte” und „hinreißenden Zauber” (Johann Georg Albrechtsberger) boten, sondern auch zahllose konzertierende Werke zum eigenen Gebrauch schrieben. Zum Leidwesen der musikalisch gebildeten „Kenner” bestanden diese Gebrauchskompositionen oftmals „bloß aus der Wiederholung der gewöhnlichen fingerleichten und zum Überdruß abgedroschenen Concert-Passagen” – so eine Klage Ludwig Spohrs aus dem Jahr 1810.

Dieser eingängigen Musik für „Liebhaber und Dilettanten” setzten die „Kenner” einen kunstvollen Umgang mit der Klarinette entgegen. Carl Maria von Weber (1786-1826) etwa hatte im Frühjahr und Sommer 1811 das Concertino op. 26 und die zwei Konzerte op. 73 sowie 74 für seinen FreundHeinrich Joseph Baermann (1784-1874) komponiert, den renommiertesten Klarinettisten des 19. Jahrhunderts. Als das Publikum während einer gemeinsamen Konzertreise nach Prag nach mehr Repertoire verlangte, griff Weber am 14. Dezember ein Motiv aus der Arie „Weh mir, es ist geschehn” seiner Oper Silvana auf und schuf an einem einzigen Tag die Silvana Variationen, op. 33, deren Reichtum an Stimmungen und Bildern von nahezu opernhafter Gestalt bezaubert.

Aus der Musikforschung ist bekannt, dass die dritte oder die sechste Variation aus der Feder von Baermann stammte, der darüber hinaus zahlreiche Arrangements und Originalwerke für Klarinette vorgelegt hat. Seine Kammermusik umfasst u.a. mehrere Klarinettenquintette von beachtlicher Qualität, und die Musikwelt hielt das Adagio aus seinem dritten Quintett op. 23 nach der Wiederentdeckung des Werks im 20. Jahrhundert mehrere Jahrzehnte lang fälschlicherweise gar für eine Komposition Richard Wagners.

Ein weiterer Komponist aus dem Umfeld Carl Maria von Webers, der für Klarinette komponierte, war Carl Gottlieb Reissiger (1798-1859). Der Salieri-Schüler wurde 1828 als Nachfolger Webers als Hofkomponist an den Dresdner Hof berufen, wo seine Kompositionen zur Blüte der öffentlichen Kammermusikpflege durch Mitglieder der Hofkapelle beitrugen. Sein Duo Brillant op. 130 für Klarinette und Klavier enthält keine ausdrückliche Widmung, doch wird angenommen, dass Reissiger es für den Hofmusikus Johann Gottlieb Kotte komponierte, den bereits Weber mit Werken bedacht hatte. Kottes Spiel vereinte, so berichten die Zeitgenossen, einen schönen Ton mit einem ausdrucksstarken, geschmackvollen Vortrag und einer vollständig musikalisch durchgebildeten Technik – in Reissigers gleichwohl lyrischem wie virtuos anspruchsvollem Wechselspiel von Sonatenform und Polacca (nebst Variation) fand er 1838 ausgiebige Gelegenheiten, sein Können zu entfalten.

Wenige Jahre später wurde Kotte mit einem jungen Musiker-Ehepaar bekannt, das 1844 nach Dresden gezogen war: Clara und Robert Schumann(1810-1856). Kotte musizierte gemeinsam mit Clara, die eine der besten Pianistinnen ihrer Zeit war, während Robert für das Duo Werke wie die Drei Fantasiestücke op. 73 komponierte. Die Drei Romanzen op. 94 schrieb Schumann indes ursprünglich für Oboe – und er wehrte die Bitte seines Verlegers, die Oboenstimme „auch als Klarinette spielbar” auszuweisen, mit den Worten ab, wenn „ich originaliter für Klarinette und Klavier komponiert hätte, würde es wohl etwas ganz anderes geworden sein”. Die Musikgeschichte gab jedoch dem Verleger Recht, denn die melodisch höchst einprägsamen Romanzen erfreuen sich auch unter Klarinettisten uneingeschränkter Beliebtheit.

Vor ihrem Umzug nach Dresden hatten Schumanns in Leipzig gelebt, wo ein Student namens Carl Reinecke (1824-1910) sich gleichermaßen für die Musik von Robert wie auch für jene des Gewandhauskapellmeisters Felix Mendelssohn-Bartholdy begeisterte. In den 1860er Jahren begann Reinecke allmählich, sich von diesen Vorbildern zu lösen und gelangte zu einem deutlich individuelleren Stil, der in Spätwerken wie dem um 1901 entstandenen Introduzione ed Allegro appassionato op. 256 besonders ausgeprägt ist.

Neben Reinecke gehörte auch Norbert Burgmüller (1810-1836) zum Komponisten- und Freundeskreis um Mendelssohn-Bartholdy und Schumann. Der Sohn des Mitbegründers der Niederrheinischen Musikfeste Friedrich August Burgmüller und der frühen Mitarbeiterin der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung” Anna Therese Friederike von Zandt zu Reichartshausen – der zuweilen auch nachgesagt wird, sie habe im Frühjahr 1804 eine intime Beziehung zu Ludwig van Beethoven unterhalten – wuchs in Düsseldorf auf und studierte Violine wie Komposition bei Ludwig Spohr. Dieser sagte ihm eine große Laufbahn voraus, doch brach Burgmüllers Welt mit dem Tod seiner ersten Verlobten zusammen. Er zog sich ein lebenslanges Nervenleiden zu, lebte fortan bei seiner Mutter in Düsseldorf und umgab sich mit Freunden wie Felix Mendelssohn-Bartholdy, der 1833-1835 in Düsseldorf als Städtischer Musikdirektor wirkte.

Schon 1836 ertrank Burgmüller in einem Aachener Kurbad. Für seine Beisetzung komponierte Mendelssohn eigens einen Trauermarsch und Robert Schumann verkündete der Welt in der „Neuen Zeitschrift für Musik”: „Nach Franz Schuberts frühzeitigem Tod konnte keiner schmerzlicher treffen als der Burgmüllers. Anstatt dass das Schicksal einmal in jenen Mittelmäßigkeiten dezimieren sollte, wie sie scharenweise herumlagern, nimmt es uns die besten Feldherrentalente selbst weg.” Ein eindrucksvolles Zeugnis von Burgmüllers außergewöhnlicher Begabung gibt sein Duo für Klarinette und Klavier Es-Dur, op. 15, das er am 17. Juli 1834 in einem Konzert, bei dem auch Mendelssohn auftrat, gemeinsam mit dem Klarinettisten Carl Klotz zur Aufführung brachte.

Die Drei Fantasiestücke für Klarinette und Klavier, op. 19 des Dänen August Hendrik Winding (1835-1899) entstanden um 1871. Wenige Jahre zuvor hatte er seinen Kompositionsstil in einem Brief an seinen Lehrer Niels Gade wie folgt beschrieben: „Da es aber einmal mein Los geworden ist, teilweise zweiter Hand zu komponieren, kann ich mir selbst gegenüber nicht leugnen, dass ich auch bisweilen Einfluss von Mendelssohn, Bach, Schubert, Palestrina, Offenbach und Mozart … spüren kann, aber es ist meine stille Hoffnung, dass es niemand bemerken wird, und ich werde es in aller Ruhe verschweigen, hoffen, dass andere bloß einen winzigen Teil von der Freude, die ich daran gehabt habe, haben werden.”

–Mathieu Kuttler–



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