Noch mehr Regenbogenfarben

Jung, weiblich, mit schulterfreiem pinkfarbenen Kleid, dessen Tüllschal im Wind flattert:

um sich mutig ins Getümmel der weiblichen Klarinettistenriege zu stürzen, sind das geschickt gewählte Attribute, die auch im Cover und im Booklet der neuen Grofmeier-SACD den Blick fangen. Um aber Sabine Meyer, Sharon Kam & Co Paroli zu bieten, braucht es mehr. Daß Sabine Grofmeier als Instrumentalistin ihnen und anderen jungen Talenten eine ernsthafte Konkurrentin ist, zeigte sie vor zwei Jahren schon in ihrer ersten CD.

Hier folgt die nächste, welche die frühere in mancher Hinsicht aussticht, schon gleich mit einer attraktiveren Werkauswahl: enthielt die frühere CD allenfalls mit Messiaens „Abime des oiseux“ ein seltenes Werk, so weckt diese CD besonderes Interesse mit weniger bekannten Kompositionen von Winding, Burgmüller und Reissiger. Mit Webers „Silvana“-Variationen und Schumanns Romanzen op. 94 findet sich dann auch Gewohntes.

Diese Vielfalt an Kompositionen ganz unterschiedlicher Faktur gibt der Klarinettistin ausgiebiger als auf der Vorgänger-CD Gelegenheit, in noch reicherer Fülle Farb- und Gestaltungsnuancen anzubieten. Schon in den drei Fantasiestücken des Dänen August Henrik Winding – einem Gade-Schüler – ist die Spannweite starker Gefühle zwischen verinnerlichtem Meditieren und deklamatorischen Ausbrüchen beachtlich.

Gleich große Ausdrucksvielfalt findet sich auch in Carl Reineckes Komposition: nach einer verträumten Einleitung – der Klarinettenklang beginnt betörend im tiefen Register – stürzen sich die beiden Instrumentalisten in einen leidenschaftlichen Dialog, der in dynamischer Steigerung bis zum fulminanten Schluß gefangen hält.

Webers bekanntes Variationswerk ist für Klarinettenfreunde ein Ohrwurm und Sabine Grofmeier besteht manche illustre Konkurrenz mit Bravour: nach der verhalten vorgestellten Melodie gestaltet sie die einzelnen Variationen mit engagiertem Einsatz in frappanten Gegensätzen, in den fast melancholisch eingefärbten Teilen bestrickend behutsam mit fast verhauchenden Tönen, um in den virtuosen Veränderungen dann ihrem Temperament überschäumend freien Lauf zu lassen, ein faszinierendes Alternieren zwischen Ausdrucksextremen.

Schumanns Romanzen bleiben wunderbar im bestrickend Schwärmerischen verhaftet. Burgmüllers fulminantes Duo erfährt in seinen Gefühlsausbrüchen eine ausdrucksstarke Interpretation, die derjenigen Dieter Klöckers von 1986 an eindringlicher Ausarbeitung kaum nachsteht und die Nähe zu Schumanns Schwelgen und Mendelssohns Überschwang – Burgmüller war mit beiden eng befreundet – bezwingend vermittelt.

Das gilt auch für Reissigers „brillantes“ Duo, das geprägt ist vom steten Wechsel zwischen lyrischen Melodien und virtuosen Passagen und ein Paradestück der Klarinettisten wurde, nachdem es 1838 im Druck erschienen war.

War die aus Vietnam stammende Pianistin Tra Nguyen schon in der ersten Produktion Sabine Grofmeier eine aufmerksame und einfühlsam mitgestaltende Partnerin, so gilt dies noch mehr für diese Aufnahme, in der sie sich den vielen Ausdrucksextremen des Klarinettenparts kongenial anpaßt und – etwa in Webers „Silvana“, wo sie mehrfach solistisch gefordert ist – auch selbst mit leidenschaftlicher Vehemenz ausdrucksvoll und virtuos überzeugt.

Für ihren zweiten Silberling hat Sabine Grofmeier beim Ratinger Label Ars Produktion eine neue Heimat gefunden, wozu man ihr gratulieren kann. Denn aufnahmetechnische Qualität und Präsentation dieser Mehrkanal-Aufnahme haben hohes Niveau. Und weil die Mehrkanal-Pressung mit Baermanns bekanntem Schmankerl „Adagio“ – man schrieb das Stück lange Richard Wagner zu – noch ein Sahnehäubchen enthält, sollte der Klarinettenfreund doch eher zur SACD greifen als zur CD, die mit fast achtzig Minuten Spieldauer aber auch randvoll ist.

So ist man ist gespannt auf alles, was man von der vielversprechenden und nicht nur in ihrer Wahlheimat Mallorca umtriebigen jungen Klarinettendame noch erwarten darf.

(Rohblatt/Dr. Diether Steppuhn, 20.5.2010)


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